POST AUS DÜSSELDORF:

"DASS DER BAUANTRAG WEGEN UNZULÄSSIGKEIT ABGELEHNT WIRD..."

 

Sehr geehrter Herr Dr. Frank,

die von meinen nachgeordneten Behörden ergänzend angeforderten Berichte liegen zwischenzeitlich vor. Urlaubsbedingt ist bei der Beantwortung Ihres Schreibens eine Verzögerung eingetreten. Dies bitte ich zu entschuldigen.
Nach Durchsicht der von den zuständigen Behörden dargestellten Sachverhalte möchte ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Hinsichtlich der Art des Genehmigungsverfahrens vertritt die Bezirksregierung Arnsberg die Auffassung, dass die sog. „Baufeldvorbereitung und Böschungssicherung“ ein genehmigungspflichtiges Vorhaben nach §§ 10 und 16 BImSchG ist und eine Baugenehmigung im vorliegenden Fall eindeutig ausscheidet. Diese Auffassung teilt auch der Landrat des Kreises Soest als obere Bauaufsichtsbehörde in seinem Schreiben vom 31. 07. 2006. In der Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz wären die Abgrabungsgenehmigung, die Baugenehmigung und die Befreiung nach den naturschutzrechtlichen Vorschriften zu konzentrieren. Die Bezirksregierung Arnsberg hat mir mitgeteilt, dass sie den Kreis Soest bitten wird, die Stadt Warstein auf die Rechtslage hinzuweisen und zu veranlassen, dass der Bauantrag wegen Unzulässigkeit abgelehnt wird, falls er nicht vom Antragsteller zurückgenommen werden sollte.
Zu der naturschutzfachlichen Bewertung des Vorhabens liegt mir ein Bericht der unteren Landschaftsbehörde des Kreises Soest vom 26. 07. 2006 vor, wonach das Vorhaben erhebliche Auswirkungen auf das Naturschutzgebiet „Oberhagen“ hätte, insbesondere auf wertvolle kleinräumige Biotopflächen mit botanischen Raritäten (u.a. Orchideen), die sich nicht an anderer Stelle wieder herstellen lassen, auf gesetzlich geschützte Biotope und auf besonders und streng geschützte Arten. Mit Schreiben vom 11. 06. 2006 hat die untere Landschaftsbehörde des Kreises Soest gegenüber der Stadt Warstein detailliert ausgeführt, welche naturschutzrechtlichen Bestimmungen dem Vorhaben entgegenstehen und darauf hingewiesen, dass die Antragsunterlagen nicht vollständig sind. Die Möglichkeit der Erteilung einer artenschutzrechtlichen Befreiung gem. § 62 BNatSchG wird von der unteren Landschaftsbehörde als nicht gegeben gesehen. Es wurde bislang auch nicht dargestellt, dass zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses den Eingriff rechtfertigen. Schließlich hat die untere Landschaftsbehörde mitgeteilt, dass auch die Voraussetzungen für eine Ausnahmesituation für die gesetzlich geschützten Biotope bislang nicht zu erkennen sind.
Am 31. 08. 2005 wurde der Bezirksregierung Arnsberg eine Vorhabensplanung vorgestellt, die in einigen Punkten von der ursprünglichen Planung abwich. Danach sollte die Böschungskante nicht mehr um die ursprünglich vorgesehenen 15 m, sondern um ca. 30 – 35 m zurückgenommen werden. Auch der Böschungsfuß sollte zurückgenommen werden und es wurden Bermen mit Breiten von ca. 8 – 12 m dargestellt. Hiermit wäre eine Zerstörung des Waldes in einer Größenordnung von 6.500 bis 7.500 m2 verbunden. Eine solche Planung wird von der Bezirksregierung Arnsberg nicht mehr als Böschungssicherungsmaßnahme angesehen, sondern geht erheblich über eine reine Böschungssicherung hinaus. Insofern sieht die Bezirksregierung Arnsberg die Planung in der am 31. 08. 2005 vorgestellten Variante nicht von § 7 Nr. 4 der ordnungsbehördlichen Verordnung zur Festsetzung des Naturschutzgebietes „Oberhagen“ abgedeckt.
Zu den weiteren von Ihnen angesprochenen Punkten, die nicht in meiner Zuständigkeit liegen, darf ich auf das Ihnen zugegangene Schreiben des MBV vom Juni 2006 verweisen. Die Bezirksregierung Arnsberg ist von hier aus gebeten worden, das MUNLV über den Fortgang des Verfahrens zu unterrichten. Ein weitergehendes Einschreiten des Umweltministeriums ist in Anbetracht des derzeitigen Sachverhaltes nicht möglich. Ich versichere Ihnen jedoch, dass ich das Anliegen der von Ihnen vertretenen Initiative Oberhagen, das wertvolle Naturschutzgebietr Oberhagen zu schützen, voll unterstütze,

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Rubow

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Zur Bedeutung dieses Schreibens:

Im Gegensatz zur Stadt Warstein vertreten die Bezirksregierung Arnsberg und der Kreis Soest - also die der Stadt Warstein übergeordneten Behörden - die Auffassung, dass ein Verfahren als einfache Baugenehmigung unzulässig sei. Bisher war von der Stadt immer eine eigene Zuständigkeit für den Abbau der Oberhagen-Felswand behauptet worden. Diese Auffassung wird von den übergeordneten Behörden ausdrücklich nicht geteilt. Die Stadt darf in diesem Fall - dem Abbau von mindestens 600.000 Tonnen Kalkstein - keine Baugenehmigung erteilen, da sie nicht zuständig ist. Die Erteilung einer Baugenehmigung in diesem Fall wäre unzulässig. Sollte die Genehmigung dennoch erteilt werden, haben die klagewilligen Umweltverbände hier einen sehr guten Ansatzpunkt, um die grundsätzliche Unzulässigkeit der Genehmigung gerichtlich feststellen zu lassen.
Die Initiative Oberhagen hat immer die Auffassung vertreten, dass die Stadt Warstein in einem so weitreichenden Abbau-Vorhaben nicht zuständig ist - diese Auffassung wird nun von den Fachbehörden ausdrücklich geteilt.

Die Stadt wollte den Abbau der Oberhagen-Felswand durch einen Verfahrenstrick genehmigen. In der neuen Naturschutzgebietsverordnung gab es einen Ausnahme-Tatbestand in § 7: "Von den Bestimmungen dieser Verordnung sind nicht betroffen: [...] Böschungssicherungsmaßnahmen an den Steinbruchwänden im Einvernehmen mit der unteren Landschaftsbehörde." Dazu war also die Zustimmung der unteren Landschaftsbehörde beim Kreis Soest erforderlich. Diese Zustimmung hat die untere Landschaftsbehörde ausdrücklich verweigert. Der Trick scheiterte also schon daran.

Wichtiger noch ist die Auffassung der Bezirksregierung, die den Verfahrenstrick als solchen unmöglich macht: Die Planungen wurden im Verlauf des Verfahrens immer gigantischer. Die ursprüngliche Planung sah einen Abbau der Felswand an der Oberkante von maximal 15 Metern vor - für den Oberhagen schon schlimm genug! Im August 2005 wurde eine modifizierte Planung vorgestellt: Aus 15 m Abbautiefe wurden 35 Meter und sogar der Fuß der Felswand sollte um 10 Meter zurückverlegt werden - dafür läßt sich kein einziger vernünftiger Grund angeben (doch: mehr Steine, mehr Erlös und vor allem: Erst dadurch wird das Risse-Gelände in seiner vollständigen heutigen Erstreckung, bis an den heutigen Böschungsfuß, vermarktbar). Die Bezirksregierung steht nun auf dem Standpunkt, dass ein derart großer und tiefer Eingriff in die Felswand nicht mehr als Böschungssicherung bezeichnet werden kann und daher durch den oben angeführten Ausnahmetatbestand der NSG-Verordnung nicht mehr abgedeckt ist.
In Gesprächen mit der Initiative Oberhagen hat R. Hoffmann (technischer Beigeordneter der Stadt Warstein) immer behauptet, der Bezirksregierung seien die Planungen in der großen Form bekannt und sie würden von der Bezirksregierung nach wie vor als Böschungssicherung gesehn. Das ist nicht wahr.

Sollten nun Firma Risse und/oder die Stadt Warstein das verrückte Projekt Innenstadtsteinbruch weiter verfolgen, so müssen sie sich dem dafür zuständigen Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz stellen. Das hat weitreichende Konsequenzen. In diesem Verfahren sind Verfahrenstricks nicht vorgesehen - und auf diese Tricks hatte man voll und ganz gesetzt. Man darf gespannt sein, welchen "Plan B" die Verfechter des Projektes nun aus der Tasche zaubern werden (und vor allem: ob sie überhaupt einen solchen "Plan B" haben!). Ein geordnetes Verfahren ist mit höherem Kostenaufwand verbunden. Man muß auch damit rechnen, dass die Antragsunterlagen von kompetenten Fachleuten geprüft werden (schon jetzt sickerte durch, dass der ´Bauantrag´ von verschiedenen Fachbehörden in der Luft zerrissen worden ist...). Im Rahmen des geordneten Verfahrens sind verschiedene Träger öffentlicher Belange zu beteiligen. Bei einem derart katastrophalen Eingriff in ein außerordentlich wertvolles Naturschutzgebiet kann im Rahmen eines geordneten Verfahrens eigentlich keine Genehmigung erteilt werden - das wäre nur bei einem umgangenen und getricksten Verfahren denkbar gewesen. In einem geregelten Verfahren gibt es eine Beteiligung des Naturschutzes und somit auch nachher die Möglichkeit der Klage durch die anerkannten Naturschutzverbände.

 

Kurz gesagt: Ein geordnetes Verfahren nach Bundesimmissionsschutzgesetz ist gründlicher, damit auch langwieriger und teurer als das von Firma Risse und der Stadt Warstein angestrebte Baugenehmigungsverfahren. Da man nun seit Jahren auf das falsche Pferd gesetzt hat, hat man sich selbst ganz gründlich ein Bein gestellt. Wäre man von Anfang an den legalen Weg gegangen, dann wäre man jetzt auf jeden Fall weiter - zumindest klüger. Wenn man das Projekt tatsächlich weiter verfolgen möchte, dann muß nun eigentlich wieder bei "Null" begonnen werden. Welch eine Blamage für eine Verwaltung - vor allem angesichts der Arroganz und Belehrungsresistenz, die man Skeptikern und Kritikern des Projektes gegenüber beständig an den Tag legte.

Die Rechtsauffassung der Initiative Oberhagen wurde eindrucksvoll bestätigt.

Linie
Wie zu erwarten, hat das Schreiben für reichlichen Wirbel gesorgt, im Stadtentwicklungsausschuss, in der Presse.
Deshalb finden Sie <hier> eine Zusammenstellung der Pressebrichterstattung.

 

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