Offener Brief (März 2006)
an die Mitglieder des Rates der Stadt Warstein

Sehr geehrte Damen und Herren,

dies ist, denke ich, ein ziemlich ungewöhnliches Unterfangen: ein Brief an alle Mitglieder des Rates und des Stadt-entwicklungs-Ausschusses, in welchem ich Sie bitten möchte, eine Entscheidung zu überdenken, die unsere Stadt wie kein anderes Vorhaben zuvor verändern würde, und zwar zum Negativen hin. Eine Entscheidung, die die Warsteiner Öffentlichkeit derzeit heftig bewegt – wohlgemerkt: nahezu einmütig. Es geht um die Planung fürs Risse-Gelände, den Angriff auf den Oberhagen mit seiner immensen Felskulisse.
Der Rat hat vor zwei Jahren, voller Elan, die Weichen für dieses Stadtentwicklungsvorhaben gestellt, nicht einstimmig, aber mit deutlicher Mehrheit. Sie waren in verständlicher Weise hoffnungsfroh gestimmt: Ein attraktives Innenstadtgelände würde endlich frei für alternative Gestaltungen in der engen Warsteiner Innenstadt, auch könnte endlich der Verkehr (teilweise) abgeleitet und zudem ein attraktives Einkaufszentrum errichtet werden – ein großer Wurf, um der kriselnden Stadt wieder Auftrieb zu geben!
Niemandem soll da ein Vorwurf gemacht werden: Konnte denn, wer dem „Generationenvertrag“ zustimmte, ahnen, wie verheerend sich das Vorhaben entwickeln sollte? Sicher war alles mit zu heißer Nadel gestrickt, vieles noch unklar, man hat vielleicht nicht so genau hingesehen, stand unter Zeitdruck – jedenfalls reibt sich alle Welt seit einigen Wochen verwundert die Augen angesichts der vielfältigen Konsequenzen des Plans:

  • Die Fläche des Risse-Geländes soll für die neue B 55 genutzt, die Bahntrasse soll verlegt und die innerstädtische Entlastungsstraße hindurchgeführt werden. So weit, so gut. Doch für das im südlichen Bereich geplante Einkaufszentrum sind zudem 600 (!) Stellplätze vorgesehen – und so werden die Verkehrswege an den Rand, sprich: an die Felswand gedrückt, was zu Sicherheitsbedenken führt: Die Steilwand müsste abgesichert werden, nicht um 1000 qm, wie ursprünglich in den Vertrag geschrieben wurde, sondern um mehr als 5000 qm (!), wie sich plötzlich herausstellt. Der gesamte Oberhagen-Fels soll somit 30 Meter weit abgesprengt werden!
  • Diese Felssicherung – ein Horror-Szenario! – bedeutet einen tiefen Eingriff in das Warsteiner Stadtbild, in den überaus beliebten Oberhagen, der zudem, und vor allem im bedrohten Teil, ein hochwertiges Naturschutzgebiet darstellt!
  • Die Felswand, eine markante Kulisse für einen Großteil der Warsteiner Innenstadt, würde darüber hinaus zerstört und unschön verändert durch drei tiefe Fahrrinnen, die zum Suttroper Weg hinaufführen und im nördlichen Teil von dort wieder herunter.
  • Sprengungen, vor Jahren wegen Unzumutbarkeit eingestellt, sind jetzt schon einfach wiederaufgenommen worden und würden auf Jahre die Umgebung belästigen und gefährden. Erst recht, wenn zum Salzbörnchen hin die „Tunnel-Trasse“ als Schlucht freigelegt würde – auf 170 Meter Breite!
  • Jahrelanger Steintransport vom Salzbörnchen über das Gelände und die Hauptstraße wäre zu ertragen.
  • Es gibt noch etliche weitere Argumente: das „Innere“ des Oberhagens; der Lärm und Staub; die drohenden Verkehrsstaus, wenn der Pkw-Verkehr zum Einkaufszentrum vor den Bahnschranken warten muss; die fehlende direkte Anbindung ans Zentrum; die möglichen negativen Auswirkungen eines Geschäftskomplexes auf die „alte“ Innenstadt (deren Zentrum die fremden Planer glattweg verlegen wollen!); und vor allem die Verzögerung, die der Tunnel erfährt.

So viele nachteilige Folgen stehen, so finde ich, in keinem Verhältnis mehr zu den erhofften Vorteilen für die Stadt! So haben wir nicht gewettet, das war nicht abzusehen, und das lässt sich auch nicht mehr verantworten! Hier muss doch die Notbremse ziehen, wer nicht nach dem Prinzip „Augen zu und durch!“ Politik macht und wem nicht das Bild seiner Stadt und die Sorgen der Bevölkerung egal sind. Zumindest muss neu verhandelt werden. (Man bedenke, dass schon allein die Anlage eines Parkdecks für das Einkaufszentrum, anstelle der ausufernden Stellfläche, den Eingriff in den Oberhagen überflüssig machen würde!)

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist nicht so, dass hier die widerborstige Bevölkerung eine hoffnungsvolle Entwicklung torpediert, nein, die Planung hat eine unvorhersehbar zerstörerische Entwicklung genommen! Und nun hofft im Grunde ganz Warstein, dass die lokalen Politiker und Politikerinnen so viel Charakter zeigen, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Denn sonst würde das Verhältnis zwischen Bevölkerung und Stadt weiter nachhaltig belastet!
Die Warsteiner Bevölkerung gibt derzeit, wie Sie wissen, in großer Zahl ein Votum ab, wie es eindeutiger nicht sein kann. Ich habe die Hoffnung – und deswegen diesen Brief geschrieben –, dass die Politik dem folgen wird.

Mit besten Grüßen


Warstein, den 26. März 2006


Dieser Brief geht auch an die Fraktionen und die Parteien/Wählergemeinschaften – und an die Presse.