Sehr geehrte Damen und
Herren,
dies ist, denke ich, ein ziemlich ungewöhnliches
Unterfangen: ein Brief an alle Mitglieder des Rates und des Stadt-entwicklungs-Ausschusses,
in welchem ich Sie bitten möchte, eine Entscheidung zu überdenken,
die unsere Stadt wie kein anderes Vorhaben zuvor verändern würde,
und zwar zum Negativen hin. Eine Entscheidung, die die Warsteiner Öffentlichkeit
derzeit heftig bewegt – wohlgemerkt: nahezu einmütig. Es
geht um die Planung fürs Risse-Gelände, den Angriff auf den
Oberhagen mit seiner immensen Felskulisse.
Der Rat hat vor zwei Jahren, voller Elan, die Weichen für dieses
Stadtentwicklungsvorhaben gestellt, nicht einstimmig, aber mit deutlicher
Mehrheit. Sie waren in verständlicher Weise hoffnungsfroh gestimmt:
Ein attraktives Innenstadtgelände würde endlich frei für
alternative Gestaltungen in der engen Warsteiner Innenstadt, auch könnte
endlich der Verkehr (teilweise) abgeleitet und zudem ein attraktives
Einkaufszentrum errichtet werden – ein großer Wurf, um der
kriselnden Stadt wieder Auftrieb zu geben!
Niemandem soll da ein Vorwurf gemacht werden: Konnte denn, wer dem „Generationenvertrag“
zustimmte, ahnen, wie verheerend sich das Vorhaben entwickeln sollte?
Sicher war alles mit zu heißer Nadel gestrickt, vieles noch unklar,
man hat vielleicht nicht so genau hingesehen, stand unter Zeitdruck
– jedenfalls reibt sich alle Welt seit einigen Wochen verwundert
die Augen angesichts der vielfältigen Konsequenzen des Plans:
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Die Fläche des Risse-Geländes soll
für die neue B 55 genutzt, die Bahntrasse soll verlegt und
die innerstädtische Entlastungsstraße hindurchgeführt
werden. So weit, so gut. Doch für das im südlichen Bereich
geplante Einkaufszentrum sind zudem 600 (!) Stellplätze vorgesehen
– und so werden die Verkehrswege an den Rand, sprich: an die
Felswand gedrückt, was zu Sicherheitsbedenken führt: Die
Steilwand müsste abgesichert werden, nicht um 1000 qm, wie
ursprünglich in den Vertrag geschrieben wurde, sondern um mehr
als 5000 qm (!), wie sich plötzlich herausstellt. Der gesamte
Oberhagen-Fels soll somit 30 Meter weit abgesprengt werden!
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Diese Felssicherung – ein Horror-Szenario!
– bedeutet einen tiefen Eingriff in das Warsteiner Stadtbild,
in den überaus beliebten Oberhagen, der zudem, und vor allem
im bedrohten Teil, ein hochwertiges Naturschutzgebiet darstellt!
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Die Felswand, eine markante Kulisse für
einen Großteil der Warsteiner Innenstadt, würde darüber
hinaus zerstört und unschön verändert durch drei
tiefe Fahrrinnen, die zum Suttroper Weg hinaufführen und im
nördlichen Teil von dort wieder herunter.
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Sprengungen, vor Jahren wegen Unzumutbarkeit
eingestellt, sind jetzt schon einfach wiederaufgenommen worden und
würden auf Jahre die Umgebung belästigen und gefährden.
Erst recht, wenn zum Salzbörnchen hin die „Tunnel-Trasse“
als Schlucht freigelegt würde – auf 170 Meter Breite!
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Jahrelanger Steintransport vom Salzbörnchen
über das Gelände und die Hauptstraße wäre zu
ertragen.
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Es gibt noch etliche weitere Argumente: das „Innere“
des Oberhagens; der Lärm und Staub; die drohenden Verkehrsstaus,
wenn der Pkw-Verkehr zum Einkaufszentrum vor den Bahnschranken warten
muss; die fehlende direkte Anbindung ans Zentrum; die möglichen
negativen Auswirkungen eines Geschäftskomplexes auf die „alte“
Innenstadt (deren Zentrum die fremden Planer glattweg verlegen wollen!);
und vor allem die Verzögerung, die der Tunnel erfährt.
So viele nachteilige Folgen stehen, so finde ich, in
keinem Verhältnis mehr zu den erhofften Vorteilen für die
Stadt! So haben wir nicht gewettet, das war nicht abzusehen, und das
lässt sich auch nicht mehr verantworten! Hier muss doch die Notbremse
ziehen, wer nicht nach dem Prinzip „Augen zu und durch!“
Politik macht und wem nicht das Bild seiner Stadt und die Sorgen der
Bevölkerung egal sind. Zumindest muss neu verhandelt werden. (Man
bedenke, dass schon allein die Anlage eines Parkdecks für das Einkaufszentrum,
anstelle der ausufernden Stellfläche, den Eingriff in den Oberhagen
überflüssig machen würde!)
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist nicht so, dass
hier die widerborstige Bevölkerung eine hoffnungsvolle Entwicklung
torpediert, nein, die Planung hat eine unvorhersehbar zerstörerische
Entwicklung genommen! Und nun hofft im Grunde ganz Warstein, dass die
lokalen Politiker und Politikerinnen so viel Charakter zeigen, dieser
Entwicklung Einhalt zu gebieten. Denn sonst würde das Verhältnis
zwischen Bevölkerung und Stadt weiter nachhaltig belastet!
Die Warsteiner Bevölkerung gibt derzeit, wie Sie wissen, in großer
Zahl ein Votum ab, wie es eindeutiger nicht sein kann. Ich habe die
Hoffnung – und deswegen diesen Brief geschrieben –, dass
die Politik dem folgen wird.
Mit besten Grüßen
Warstein, den 26. März 2006
Dieser Brief geht auch an die Fraktionen und die Parteien/Wählergemeinschaften
– und an die Presse.
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