Leserbrief (Februar 2006)

Ein Kommentar gibt die Meinung seines Verfassers wieder, und eine Meinung kann man irgendwie nicht kritisieren. Dennoch sollte auch eine Meinung, noch dazu die öffentlich geäußerte, eine Rückbindung an Tatsachen haben. Diese Rückbindung lässt der Kommentar „Hände wohin?“ in seinen zentralen Aussagen leider vermissen.

Zuerst ist es der übliche Versuch, eine mittlerweile breite Front der Ablehnung in die Ecke der blümchenbeschützenden Natur-Fundamentalisten zu stellen: Türkenbundlilie gegen Stadtentwicklung (wie andernorts Wachtelkönig und Feldhamster). Damit ist die Motivation der ca. 200 Bürgerinnen und Bürger vom Mittwoch nicht getroffen Selbstverständlich geht es ihnen auch um die Erhaltung der sensibelsten und wertvollsten (!) Teile des Naturschutzgebietes, aber das war nur ein Motiv unter vielen anderen.

Herr Grosselohmann stichelt auch erneut gegen den „Schutz einer Felswand, über deren ästhetischen und ökologischen Wert gestritten werden“ könne. Ist das wirklich so?

Über Geschmack – über die Frage also, ob die Felswand in ihrer heutigen Form als ´schön´ empfunden wird – lässt sich trefflich streiten, das steht außer Frage. Aber in einem Punkt herrschte bei allen 200 Interessierten am Mittwoch Einigkeit: Die Felswand nach der ´Sicherung´ ist deutlich hässlicher. Von einer ´Begrünung´ haben verschiedene Leute öffentlich geträumt. Unsinn! Die ´gesicherte Wand´ ist als „Bauwerk“ anzusehen, das einen ganz klaren Zweck verfolge: Schutz vor Steinschlag, so gab der Felsgutachter D. Stempelmann unmissverständlich zu verstehen. Im Bereich dieses ´Bauwerks´ sind nur Maßnahmen denkbar, die die zentrale Funktion des Bauwerks nicht gefährden. Wasser und Wurzelwerk, das in die Fugen des Kalksteins dringt: Undenkbar! Hier wird kein Terrassengarten geplant, im Gegenteil, wir müssen uns mit einem ´Straßenstapel´ in drei Etagen anfreunden. Ich bin gespannt, ob das dem ästhetischen Empfinden unseres Kommentators eher entgegen kommen wird.

Über den ökologischen Wert dagegen kann man nicht streiten: Seit der Neufassung der Naturschutzgebiets-Verordnung über das NSG Oberhagen vom 27. 10. 2005 ist auch die Abbauwand Teil des Naturschutzgebietes – das ist neu, das ist eine auffällige Veränderung gegenüber der alten Verordnung. Die Ausweisung als Naturschutzgebiet ist das höchste Prädikat, das der ökologischen Wertigkeit eines Bereiches verliehen werden kann.

Angeblich schütten wir nun auch noch das Kind mit dem Bade aus. Schlimmer noch, bedrohlich grummelt es im Kommentar: Die Oberhagen-Aktivisten demontieren die „einzige Zukunfts-Chance für Warstein“. Nein, ganz im Gegenteil. Gefahr für die Zukunft Warsteins droht aus der ganz anderen Ecke. Die Zukunft Warsteins wird gefährdet durch Planer, die nicht einmal ihr Handwerk verstehen und durch Politiker, die mit den Informations-Bröckchen zufrieden sind, die ihnen aus dem (Technischen) Rathaus zugeworfen werden.

Über die Dimensionen der Planungen im Bereich Oberhagen/Risse sind die 200 Bürgerinnen und Bürger, die am Mittwoch zusammengekommen sind wesentlich besser informiert, als die Rats- und Ausschussmitglieder. Ich habe mich extra bei einigen erkundigt: Sie wissen noch nichts davon, dass der Abtransport etlicher tausend Tonnen Gestein nach oben (Suttroper Weg) erfolgen soll. Auch der Abbau eines Teils der Wiese vor dem Oberhagen ist nur dem bekannt, der aus eigener Initiative die irgendwann einmal an der Wand des Sitzungssaals hängenden Pläne studiert hat. Über die Gesamtmasse (mehrere hunderttausend Tonnen!) des auszubrechenden Gesteins hat die Verwaltung keinerlei Informationen. Das müsse man vielleicht einmal ausrechnen, sagte R. Hoffmann bei einem Gespräch vor zwei Wochen.

Und die Wiese vor dem Oberhagen – der Abbau von Teilen der Wiese sei kein Problem, so R. Hoffmann, die Wiese sei schließlich kein Naturschutzgebiet. Stimmt, sie ist allerdings geschütztes Biotop nach §62 Landschaftsgesetz NRW, was ein ähnliches Verfahren hinsichtlich ihres Abbaus erforderlich macht, wie der Abbau von Teilen eines eigentlichen Naturschutzgebietes. R. Hoffmann wurde ausgerechnet von Mitgliedern der Initiative Oberhagen darüber informiert, dass diese Wiese einen solchen Schutzstatus genießt. Hier ist ein amtliches Verfahren erforderlich, das noch gar nicht begonnen wurde, das mehrere Monate dauern wird. Trotzdem wird der Zeitplan „Ende des Jahres ist die Wand abgebaut“ verkündet. Das ist unrealistisch. Entweder weiß man es nicht besser (dann wäre es inkompetent) oder man will nicht öffentlich zugeben, dass man sich völlig verkalkuliert hat in einem Projekt, das in alle Richtungen aus dem Ruder gelaufen ist.

Wie sieht überhaupt die Kosten-Seite aus? Wer kommt für die Unterhaltung des Felssicherungs-Bauwerks auf? Lächerlich, zu glauben, einmal errichtet stünde der Berg in alle Ewigkeit sicher und wartungsfrei. Die Stadt Warstein sei für die Finanzierung eventueller technischer Gesteinssicherungen (Felsanker, Schutznetze) zuständig. Trotz der nun viel weiteren Rückverlegung der Wand konnte der Gutachter nicht ausschließen, dass solche Sicherungen in Teilbereichen erforderlich sein werden. Ausgerechnet den technisch anspruchsvollsten Teil, mit den höchsten freistehenden Wänden und einer Spitzkehre in 30 m Höhe hat man in einen Bereich hinein geplant, wo der Fels am wenigsten standfest ist (der Gutachter selbst nimmt Dolinen – also eingestürzte Höhlenräume – in diesem Bereich an!): Das bleibt ohne Beton kaum in der Wand hängen! Den Beton bezahlt dann die Stadt Warstein.

Der ´Beton´ ist das Problem, der Beton in den Köpfen. In diesem Bereich wären vernünftige, angemessene stadtplanerische Lösungen gefordert. Statt dessen mit dem (Beton)Kopf durch die (Steinbruch)Wand. Für die Beulen und blauen Augen werden wir alle teuer bezahlen müssen.

Und deshalb bleibt es für uns dabei „Hände weg vom Oberhagen“. Wohin mit den Händen? Nicht zum Himmel! An die ´Denkerstirn´: mit-denken, nach-denken, be-denken, wie wir aus diesem Schlamassel wieder herauskommen können.

Stefan Enste
Untere Hagenstraße 12
59581 Warstein-Hirschberg