Funktioniert in Warstein die Politik nicht?
(April 2006)

Die Warsteiner Politik steht vor einem Scherbenhaufen. Das Projekt Risse-Gelände wird von der Bevölkerung massiv abgelehnt – und die großen Parteien, die das Vorhaben (aus durchaus verständlichen Gründen) begrüßt und ermöglicht haben, sind nun die „Gelackmeierten“, wirken geschockt und finden keine Worte. Funktioniert in Warstein die Politik nicht? Wenn der Bürgerwille und seine Vertretung derart auseinanderdriften, dann stimmt doch ’was nicht in der Vermittlung zwischen den Interessen der Bür-ger/innen und ihren Vertretern, dem gewählten Rat! Wie konnte es passieren, dass ein Stadtentwicklungsprojekt, welches Warstein wie kein anderes zuvor umkrempeln sollte, so tief in den Sand gesetzt wurde?
Ich will mich hier nicht darüber lustig machen oder mich gar an dem Schlamassel weiden. Dafür ist die Angelegenheit zu dramatisch. Ich möchte nur ein Nachdenken über diese „typische Warsteiner Uneinigkeit“ anregen, von welcher oft geredet und die so gern auf die besondere Zänkischkeit der Warsteiner zurückgeführt wird. Ist es uns – im Gegensatz etwa zu Beleckern – sozusagen als Erbsünde mitgegeben, alle vielversprechenden Entwicklungen kaputtzureden, die Westumgehung beispielsweise, die Parallelstraße und nun ein neues Stadtzentrum? Nein, es ist wohl anders. Die Warsteiner, so scheint mir, leiden heftig an der schleichenden Verschlechterung der Lebensverhältnisse vor Ort:
– Stadtbild: Warstein war einmal eine leidlich schöne Stadt – davon ist nichts übrig geblieben. Man denke an die frühere Hauptstraße, das Gebäudeensemble um den alten Kindergarten, das alte Progymnasium, die Rangestraße ... Ein langweiliges Zent-rum ist geblieben, und die Chance einer besseren Marktplatzgestaltung wurde verschenkt.
– Verkehr: Wir leiden in besonderer Weise unter dem Verkehr, der sich nach wie vor durch die Innenstadt quälen muss. Und der letzte Versuch, zumindest den Schwerlast- und Durchgangsverkehr abzuleiten – ich spreche vom Tunnel –, wurde nach Kräften verzögert.
– Zukunftskonzept: Was soll überhaupt aus Warstein werden? Will man mehr Einkaufsstadt sein, stärker auf Tourismus setzen, auf die Brauerei – oder was? Auch dazu gibt es keine einheitliche Vorstellung.
Über all diese wichtigen und weitere Fragen findet keine nennenswerte Diskussion in der Bürgerschaft statt. Das Rathaus betreibt eine jämmerliche Öffentlichkeitsarbeit, niemand weiß so recht, was läuft. Und im Rat wird nicht richtig diskutiert.
Schon ist man wieder beim Risse-Projekt, in dem all die gerade angeführten Themen zusammenkommen: Verkehr, Stadtbild, Zukunftschance einer kriselnden Kleinstadt. Dieses Vorhaben wird plötzlich aus dem Hut gezaubert, nur oberflächlich und unter Zeitdruck „andiskutiert“, das Rathaus informiert nicht offen über alle Konsequenzen – und zwei Jahre später geht die Zeitbombe hoch: Die Warsteinerinnen und Warsteiner können nicht fassen, was man ihnen da alternativlos vorknallt, nämlich die praktische Wiedereröffnung eines Steinbruchs, eine Zunahme des Verkehrs sowie ein neues Geschäftszentrum (anstelle des alten)!
Die Warsteiner fühlen sich überfallen und sind aus berechtigter Gewohnheit misstrauisch: Denn man erwartet nichts Gu-tes von diesen Zukunftsplanern. Die Politik hat das so auch nicht gewusst – sie hat dem „Generationenvertrag“ zugestimmt und findet sich just in einer wenig beneidenswerten Lage. Und die Verwaltung verhält sich, als habe sie nur das Interesse der Projektbetreiber zu vertreten.
Man sieht, das Management der politischen Angelegenheiten vor Ort funktioniert nicht. Nicht die Bevölkerung verhält sich unvernünftig – es fehlen vielmehr vernünftige Mechanismen der Gestaltung unserer Verhältnisse hier in Warstein (und der Politik fehlt der Instinkt für das Zumutbare). Darüber sollte mal gründlicher nachgedacht werden ...
Was aber ist im Moment zu tun, um dem Dilemma zu entkommen? Ich kann nur hoffen, dass die Projekt-Interessenten ihr Vorhaben nicht brachial gegen den Willen der Bevölkerung durchzusetzen versuchen. Sollten aber die Pläne nicht gänzlich begraben werden, bleibt nur eines: Sie müssen überarbeitet werden, es braucht Beweglichkeit und Phantasie, um einen anderen, zumindest bescheideneren Plan zu entwickeln. Deswegen sollte man sich bald mal zusammensetzen und vernünftig verhandeln.

Werner Braukmann, Warstein