Die
Warsteiner Politik steht vor einem Scherbenhaufen. Das Projekt Risse-Gelände
wird von der Bevölkerung massiv abgelehnt – und die großen
Parteien, die das Vorhaben (aus durchaus verständlichen Gründen)
begrüßt und ermöglicht haben, sind nun die „Gelackmeierten“,
wirken geschockt und finden keine Worte. Funktioniert in Warstein die
Politik nicht? Wenn der Bürgerwille und seine Vertretung derart
auseinanderdriften, dann stimmt doch ’was nicht in der Vermittlung
zwischen den Interessen der Bür-ger/innen und ihren Vertretern,
dem gewählten Rat! Wie konnte es passieren, dass ein Stadtentwicklungsprojekt,
welches Warstein wie kein anderes zuvor umkrempeln sollte, so tief in
den Sand gesetzt wurde?
Ich will mich hier nicht darüber lustig machen oder mich gar an
dem Schlamassel weiden. Dafür ist die Angelegenheit zu dramatisch.
Ich möchte nur ein Nachdenken über diese „typische Warsteiner
Uneinigkeit“ anregen, von welcher oft geredet und die so gern
auf die besondere Zänkischkeit der Warsteiner zurückgeführt
wird. Ist es uns – im Gegensatz etwa zu Beleckern – sozusagen
als Erbsünde mitgegeben, alle vielversprechenden Entwicklungen
kaputtzureden, die Westumgehung beispielsweise, die Parallelstraße
und nun ein neues Stadtzentrum? Nein, es ist wohl anders. Die Warsteiner,
so scheint mir, leiden heftig an der schleichenden Verschlechterung
der Lebensverhältnisse vor Ort:
– Stadtbild: Warstein war einmal eine leidlich schöne Stadt
– davon ist nichts übrig geblieben. Man denke an die frühere
Hauptstraße, das Gebäudeensemble um den alten Kindergarten,
das alte Progymnasium, die Rangestraße ... Ein langweiliges Zent-rum
ist geblieben, und die Chance einer besseren Marktplatzgestaltung wurde
verschenkt.
– Verkehr: Wir leiden in besonderer Weise unter dem Verkehr, der
sich nach wie vor durch die Innenstadt quälen muss. Und der letzte
Versuch, zumindest den Schwerlast- und Durchgangsverkehr abzuleiten
– ich spreche vom Tunnel –, wurde nach Kräften verzögert.
– Zukunftskonzept: Was soll überhaupt aus Warstein werden?
Will man mehr Einkaufsstadt sein, stärker auf Tourismus setzen,
auf die Brauerei – oder was? Auch dazu gibt es keine einheitliche
Vorstellung.
Über all diese wichtigen und weitere Fragen findet keine nennenswerte
Diskussion in der Bürgerschaft statt. Das Rathaus betreibt eine
jämmerliche Öffentlichkeitsarbeit, niemand weiß so recht,
was läuft. Und im Rat wird nicht richtig diskutiert.
Schon ist man wieder beim Risse-Projekt, in dem all die gerade angeführten
Themen zusammenkommen: Verkehr, Stadtbild, Zukunftschance einer kriselnden
Kleinstadt. Dieses Vorhaben wird plötzlich aus dem Hut gezaubert,
nur oberflächlich und unter Zeitdruck „andiskutiert“,
das Rathaus informiert nicht offen über alle Konsequenzen –
und zwei Jahre später geht die Zeitbombe hoch: Die Warsteinerinnen
und Warsteiner können nicht fassen, was man ihnen da alternativlos
vorknallt, nämlich die praktische Wiedereröffnung eines Steinbruchs,
eine Zunahme des Verkehrs sowie ein neues Geschäftszentrum (anstelle
des alten)!
Die Warsteiner fühlen sich überfallen und sind aus berechtigter
Gewohnheit misstrauisch: Denn man erwartet nichts Gu-tes von diesen
Zukunftsplanern. Die Politik hat das so auch nicht gewusst – sie
hat dem „Generationenvertrag“ zugestimmt und findet sich
just in einer wenig beneidenswerten Lage. Und die Verwaltung verhält
sich, als habe sie nur das Interesse der Projektbetreiber zu vertreten.
Man sieht, das Management der politischen Angelegenheiten vor Ort funktioniert
nicht. Nicht die Bevölkerung verhält sich unvernünftig
– es fehlen vielmehr vernünftige Mechanismen der Gestaltung
unserer Verhältnisse hier in Warstein (und der Politik fehlt der
Instinkt für das Zumutbare). Darüber sollte mal gründlicher
nachgedacht werden ...
Was aber ist im Moment zu tun, um dem Dilemma zu entkommen? Ich kann
nur hoffen, dass die Projekt-Interessenten ihr Vorhaben nicht brachial
gegen den Willen der Bevölkerung durchzusetzen versuchen. Sollten
aber die Pläne nicht gänzlich begraben werden, bleibt nur
eines: Sie müssen überarbeitet werden, es braucht Beweglichkeit
und Phantasie, um einen anderen, zumindest bescheideneren Plan zu entwickeln.
Deswegen sollte man sich bald mal zusammensetzen und vernünftig
verhandeln.
Werner
Braukmann, Warstein
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