Jahreshauptversammlung 2007:
Ansprache
von Werner Braukmann

Noch nie ist, glaube ich, ein Projekt der Warsteiner Politik so sehr mit Pauken und Trompeten untergegangen (jedenfalls vorerst, und absehbar auch endgültig) wie der Plan eines großen Einkaufszentrums im erweiterten, in einem durch einen gewaltigen Felsabriss erweiterten Risse-Gelände. Oder sollte man es direkt beim Namen nennen: Mit Pauken und Trompeten gescheitert ist, vorläufig, der Plan, mal wieder so richtig viel Geld zu machen durch die Neueröffnung eines Steinbruchs an der Hauptstraße, durch die Erweiterung einer wertvollen Fläche und durch den Verkauf dieser Fläche an irgendeinen Investor, der dort ein zweitklassiges Ladenzeile errichtet, die der kriselnden Warsteiner Innenstadt den Rest geben würde.
Wir haben gerade die Sektkorken knallen lassen, meine Damen und Herren, weil wir feiern können. Denn denken wir mal kurz zurück, nur zwölf Monate, das war die heiße Phase unserer Initiative – Sie haben es eben in Elke Ibings Überblick verfolgen können. Kaum jemand hat da an einen Erfolg der Initiative geglaubt, wir wurden von oben herab belächelt: „Die Sache ist doch gelaufen, Jungs!“ Oder denken Sie an die WDR-Journalistin, die in einem oberpeinlich einseitigen Fernsehbeitrag meinte: „Die Bürgerinitiative kommt zu spät.“
Das ist es, meine Damen und Herren, was mich im Grunde am meisten freut: dass diejenigen, die immer so genau zu wissen meinen, was Sache ist, aufs falsche Pferd gesetzt haben!
Aber mal der Reihe nach: Das Risse-Gelände ist eine attraktive Innenstadt-Fläche. Endlich wird sie frei. Viel zu spät eigentlich. Noch vor zwanzig Jahren musste man einer Erweiterung des Betriebs eben auf diesem Gelände zustimmen, weil die Aussiedlung zu teuer geworden wäre. Endlich ist sie frei – und was könnte man nicht alles Tolles aus dieser Fläche machen, wenn, ja wenn die Stadt Warstein Geld hätte!
Aber zumindest kann sie für die seit Jahren erwartete Verkehrslösung, vor allem für die neue B 55 (den Tunnel) benutzt werden. Und der Rest sollte für ein Einkaufszentrum verwendet werden. Nun, warum nicht? Warstein kann attraktive Geschäfte gebrauchen! Und außerdem kann der Besitzer einer Fläche ja zunächst mit seiner Fläche machen, was er will. Seine Sache. (Ursprünglich wollte der „Dixi“ auf diese Fläche, ich habe schon vor etwa zehn Jahren beim damaligen Filialchef Meier solche Pläne eingesehen. Aber man kam nicht so recht zu Potte bei der Fa. Risse, wie man hört, mit der Bereitstellung der Fläche und allem Drum&Dran, und so erzwangen Investor und Betreiber die Ausweitung des „Marktkaufs“ oberhalb des alten Markts – keine ideale Verkehrsanbindung, könnte man sagen, aber der Marktkauf floriert.)
Mittlerweile wurde dann doch, plötzlich in Windeseile der „Generationenvertrag“ durchgepeitscht. Man ging davon aus, dass hinter der Sparkasse ein kleines modernes Einkaufszentrum errichtet würde, ziemlich stadtnah, man hörte, dass auch ein wenig Felssicherung erforderlich wäre, etwa 1000 qm müssten weggefräst werden – im Stadtrat stimmten einige dagegen, die Mehrheit war dafür.
Das schockartige Erwachen aus diesem kleinen Stadtentwicklungstraum erfolgte im November, zufällig war ich anwesend im Stadtentwicklungsausschuss. Da berichtete Herr Hoffmann, der RP habe grünes Licht gegeben für den für die Erweiterung erforderlichen Eingriff in das Naturschutzgebiet Oberhagen, und zwar um 30 Meter, auf 170 Meter Breite! Das wären nicht mehr 1000 qm gewesen, wie es im Vertrag stand, sondern das Zehnfache! Ich wollte es nicht fassen. Aus einer kleinen Korrektur einer überhängenden Felsnase sollte das Absprengen der ganzen stadtwärts gerichteten Steinbruchwand werden?! Warstein würde total sein Aussehen verändern – denn die Felswand gehört zum Warsteiner Stadtbild, es ist ein nicht unbedingt schöner, aber eindrucksvoller Einblick in die Geologie, ins Erdinnere! – Und warum?: Ja, man brauche mehr Raum für das Einkaufszentrum und die dazugehörigen über 600 Parkplätze, dazu reiche die Fläche nicht aus! Die Herren wollten so richtig klotzen!
Ich habe mich sofort vehement dagegen ausgesprochen in dem Ausschuss und gesagt, das sollten die Fraktionen neu beraten, das könne man nicht mittragen, das sei unverantwortlich – aber, wie gesagt, man wurde nur belächelt. „Junge, das ist gelaufen. Der Generationenvertrag ist verabschiedet! Und die Verkehrssicherung muss sein!“
Die folgenden Ereignisse kann man gut vergleichen mit einem Märchen, und zwar mit dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Man ruft „Aber der Kaiser ist ja nackt!“ – aber keiner will es wahrhaben. Der Berater des Kaisers, also der Designer der neuen Kleider im Märchen entspricht in unserer Warsteiner Geschichte den Gutachtern und den anderen Herren in Nadelstreifen – Sie konnten die ganze Korona bei der Bürgerversammlung in der Schützenhalle vorne auf den Podium aufgereiht sehen, hoch bezahlt für ihr Kommen und Referieren –; sie versprachen Warstein eine glorreiche Zukunft mit Käuferströmen aus Meschede und begeisterten Warsteinern, die nicht mehr zum Einkaufen nach Lippstadt oder Paderborn wegfahren müssen, nein: wollen. Und in ihrer Ignoranz gegenüber lokalpatriotischen Gefühlen sprachen sie sogar von einem neuen Zentrum der Stadt Warstein (das alte hatten sie offensichtlich „abgeschrieben“!).
Aber dann kam durch unsere Aufklärungsarbeit – und wir mussten die Sachverhalte sehr mühsam der Stadtverwaltung sozusagen aus der Nase ziehen, man wollte der Öffentlichkeit einfach nicht sagen, was ihr drohte! – doch mit Vehemenz heraus, dass die Bevölkerung ganz anders dachte, als die großen Parteien kalkuliert hatten, und gegen die Zerstörung eines wertvollen Naturschutzgebietes war und auch gegen ein Einkaufszentrum, wo doch schon genug Geschäfte in der eigentlichen Innenstadt leerstehen. Und außerdem fiel auf, wie weit weggerückt das Zentrum plötzlich von der Innenstadt war, nicht mehr hinter der Sparkasse, sondern unten bei der Post! Und wie groß! (In Soest plant man ein Einkaufszentrum von 4000 qm, hier geht es um 11.000 qm! Und mehr als 600 Parkplätze – in Zürich wird gerade ein Riesen-Einkaufsareal eröffnet, etwa die zehnfache Größe, für 20.000 Besucher täglich, da sind – man höre und staune – 850 Parkplätze gebaut worden.)
Über 3000 Menschen füllten bei miesem Wetter wie im Moment unsere schönen kleinen Protestkarten aus und sprachen sich gegen das Vorhaben aus – ein unerwarteter Erfolg für uns! Da sah der Kaiser schon ziemlich nackt aus. Aber ich denke, das allein hätte nicht viel gebracht. Wären wir nicht, hervorragend beraten durch Umweltfachmann Loske und Rechtsanwalt Frank, fachlich und juristisch gegen das Vorhaben vorgegangen, das als Bauantrag schnell, ohne Beteiligungsmöglichkeiten der Umweltverbände und kostengünstig durchgezogen werden sollte. Und auf einmal wurde deutlich, wie nackt, wie splitterfasernackt der Kaiser wirklich war!
Sie müssen nur mal die Eingabe von Walter Arens und Monika Rudel, Feldstraße, lesen, in der auf 5, 6 Seiten die Unkorrektheit des Verfahrens dargestellt wird, und Sie wundern sich, dass Herr Störmann vor ein paar Tagen in der Presse Herrn Hoffmann „hervorragende Arbeit“ bescheinigt. (Nebenbei: Es ist nicht in Ordnung, finde ich, wie Herr Hoffmann, der in Warstein jahrlang sehr anregend tätig war, hier nicht verabschiedet wird, ich zum Beispiel habe eigentlich immer ganz gut mit ihm zusammengearbeitet; dass wir in dieser Sache unterschiedliche Positionen vehement vertraten, geht in Ordnung, ist politisches Geschäft, da muss man nicht mit Dreck werfen, das haben wir auch nicht getan; ein Spruch, wie auf dem Karnevalswagen „Hoffmann geht, Hoffnung kommt“ ist nicht in Ordnung; das Risse-Vorhaben ist nicht ein Werk von Herrn Hoffmann, jedenfalls nicht von ihm allein, man sollte seine Ablehnung nicht auf eine Person konzentrieren!)
Nun, meine Damen und Herren, damit haben wir schon den Rückblick, die Zustandsdarstellung im Grunde hinter uns. Die übergeordneten Behörden ließen das Projekt wie eine heiße Kartoffel fallen und signalisierten der Stadt „So geht es nicht, Jungens; was denkt ihr euch eigentlich!“. Deswegen steht also die Wand noch und ein Einkaufszentrum, das schon vor zwölf Monaten eingeweiht sein sollte, lässt weiter auf sich warten … Und somit können wir zur Frage übergehen: Wie geht’s weiter?
Es geht nämlich drolligerweise überhaupt nicht weiter. Risse zieht witzigerweise den Bauantrag nicht zurück, obwohl der null Chancen hat! Und die Stadt – macht nichts! Da sieht man auch mal, es geht nicht nur um Herrn Hoffmann. Es gibt noch andere Entscheidungsträger: Was machen die großen Parteien jetzt und was macht vor allem der Bürgermeister? Alle stecken, so hat man den Eindruck, wie gelähmt den Kopf in den Sand oder meinetwegen in eine Felsspalte und verzögern weiter die Stadtentwicklung und damit den Tunnel. Was man jetzt natürlich gern uns in die Schuhe schieben will …
In dem Zusammenhang: Es gibt schon sehr dumpfe Seelen in Warstein, man lese nur mal die Zuschriften, die anonym beim Warsteiner Anzeiger online eingingen, als Antwort auf einen Aufsatz von mir zum Thema „Warum immer alles in Warstein schief geht“, und da werde ich wüst angegangen (wie es auch im Karneval bei der ersten Kappensitzung gewesen sein soll, von einem Mitarbeiter der Sparkasse), werde beschimpft als Quertreiber, als einer der immer die Entwicklung behindert hat – das Gegenteil ist der Fall: Es geht darum, Warstein zu erhalten und die eigenen Kräfte zu stärken, damit es in Warstein wieder vorangeht! Und: Wo eigentlich bleiben, fragt man sich da, die Geschäftsleute? Ich meine, die Geschäftswelt ist, was die Stadtentwicklung angeht, die wichtigste Partei in Warstein und diese Geschäftswelt macht einen derart verschnarchten Eindruck, es ist schier zum Verzweifeln! Als ginge es ihnen noch nicht schlecht genug! Kein Wort hörte man bspw. vom Verkehrsverein zu all diesen Plänen, die existenziell wichtig waren für die Warsteiner Geschäftswelt! Keine Initiative ist spürbar, aus eigenen Kräften die Misere der Innenstadt zu beheben, die übrigens nicht nur im Fehlen von Klamotten-Shops besteht – nein, es breitet sich in Warstein vor allem eine gastronomische und kulturelle Wüste aus, in einer Stadt, deren Zukunft eigentlich im Tourismus liegt. Dieses Debakel um den gescheiterten Zakowski-Entwurf eines Riesen-Einkaufszentrums sollte doch der Anlass sein, so sollte man meinen, dass sich wichtige Leute in Warstein endlich zusammensetzen und die Ärmel aufkrempeln. Es kann doch nicht angehen, dass wir nur schulterzuckend zusehen, wie Warstein vor die Hunde geht!
Eigentlich ist das ja nicht unser Thema. Wir wollten nur die skandalöse Zerstörung eines Naturschutzgebiets verhindern, gegen ein Einkaufszentrum haben wir uns nicht ausgesprochen, in kleiner Form hätte es ja durchaus realisiert werden können – jetzt aber werden wir immer gefragt, wie soll es weitergehen?! Wie es weitergehen soll, ist aber eine Angelegenheit der Politik, der Öffentlichkeit – wir sind nur ein Teil der Öffentlichkeit; die heftige Zustimmung zu unserem Anliegen zeigt im Grunde nur, dass es doch Kräfte in der Warsteiner Öffentlichkeit gibt, die dieser Entwicklung gegensteuern wollen, vielleicht kann ja auch von uns ein Impuls ausgehen für diesen überfälligen Aufbruch – ich bin mal gespannt, was Sie dazu, gleich im Anschluss, meinen.
Wir müssen jetzt jedenfalls erst mal wachsam bleiben, wie es in Sachen Oberhagen weitergeht, die Fa. Risse hat ihr Projekt noch nicht endgültig begraben, sie wird’s irgendwie anders versuchen, das wird sich lang hinziehen, wird nicht mehr so spannend sein wie die letzten Monate – aber wir hoffen auf Ihre weitere, unverdrossene Zustimmung. Ich möchte an dieser Stelle nochmals neben Herrn Loske und Frank auch den Umweltfachleuten bzw. Vertretern der Umweltverbände LNU, BUND, NABU, von Herrn Karl Beleke aus Warstein bis zu Herrn Stichmann aus Körbecke und dem BUND-Vorsitzenden Brunsmeier herzlich danken für ihre Unterstützung, die wahrscheinlich die entscheidende war! Und ich möchte Ihnen allen danken für die vehemente Rückenstärkung – das erlebt man nicht alle Tage. Auch für Ihre Spendenbereitschaft. Wir brauchen diese Energie weiterhin (es ist ja keine fossile Energie, sondern eine erneuerbare ...!)
Eine interessante Beobachtung zum Abschluss: Ist Ihnen aufgefallen, meine Damen und Herren, dass der Waldsaum am Oberhagen durch den verheerenden Sturm neulich nicht betroffen war?! Und wie schroff stehen dort die alten Bäume auf felsigem Grund gegen den Wind! Selbst Kyrill also bringt den Oberhagen nicht zu Fall! Es wäre vielleicht noch ein kleiner Triumph gewesen für diejenigen, denen Naturschutz am …, na sagen wir mal, an der Nase vorbeigeht – aber man möchte fast an höhere Kräfte glauben, dass diese naturgeschützten Bäume auch geschützt blieben gegen diese rohen Kräfte der Natur. Bitte bleiben Sie auch weiter standhaft wie dieser Baumsaum gegen die rohen Kräfte der menschlichen Natur, die alles – Steine, Landschaft, auch Wasser – zu Geld machen wollen.

Werner Braukmann