Noch nie ist, glaube
ich, ein Projekt der Warsteiner Politik so sehr mit Pauken und Trompeten
untergegangen (jedenfalls vorerst, und absehbar auch endgültig)
wie der Plan eines großen Einkaufszentrums im erweiterten, in
einem durch einen gewaltigen Felsabriss erweiterten Risse-Gelände.
Oder sollte man es direkt beim Namen nennen: Mit Pauken und Trompeten
gescheitert ist, vorläufig, der Plan, mal wieder so richtig viel
Geld zu machen durch die Neueröffnung eines Steinbruchs an der
Hauptstraße, durch die Erweiterung einer wertvollen Fläche
und durch den Verkauf dieser Fläche an irgendeinen Investor, der
dort ein zweitklassiges Ladenzeile errichtet, die der kriselnden Warsteiner
Innenstadt den Rest geben würde.
Wir haben gerade die Sektkorken knallen lassen, meine Damen und Herren,
weil wir feiern können. Denn denken wir mal kurz zurück, nur
zwölf Monate, das war die heiße Phase unserer Initiative
– Sie haben es eben in Elke Ibings Überblick verfolgen können.
Kaum jemand hat da an einen Erfolg der Initiative geglaubt, wir wurden
von oben herab belächelt: „Die Sache ist doch gelaufen, Jungs!“
Oder denken Sie an die WDR-Journalistin, die in einem oberpeinlich einseitigen
Fernsehbeitrag meinte: „Die Bürgerinitiative kommt zu spät.“
Das ist es, meine Damen und Herren, was mich im Grunde am meisten freut:
dass diejenigen, die immer so genau zu wissen meinen, was Sache ist,
aufs falsche Pferd gesetzt haben!
Aber mal der Reihe nach: Das Risse-Gelände ist eine attraktive
Innenstadt-Fläche. Endlich wird sie frei. Viel zu spät eigentlich.
Noch vor zwanzig Jahren musste man einer Erweiterung des Betriebs eben
auf diesem Gelände zustimmen, weil die Aussiedlung zu teuer geworden
wäre. Endlich ist sie frei – und was könnte man nicht
alles Tolles aus dieser Fläche machen, wenn, ja wenn die Stadt
Warstein Geld hätte!
Aber zumindest kann sie für die seit Jahren erwartete Verkehrslösung,
vor allem für die neue B 55 (den Tunnel) benutzt werden. Und der
Rest sollte für ein Einkaufszentrum verwendet werden. Nun, warum
nicht? Warstein kann attraktive Geschäfte gebrauchen! Und außerdem
kann der Besitzer einer Fläche ja zunächst mit seiner Fläche
machen, was er will. Seine Sache. (Ursprünglich wollte der „Dixi“
auf diese Fläche, ich habe schon vor etwa zehn Jahren beim damaligen
Filialchef Meier solche Pläne eingesehen. Aber man kam nicht so
recht zu Potte bei der Fa. Risse, wie man hört, mit der Bereitstellung
der Fläche und allem Drum&Dran, und so erzwangen Investor und
Betreiber die Ausweitung des „Marktkaufs“ oberhalb des alten
Markts – keine ideale Verkehrsanbindung, könnte man sagen,
aber der Marktkauf floriert.)
Mittlerweile wurde dann doch, plötzlich in Windeseile der „Generationenvertrag“
durchgepeitscht. Man ging davon aus, dass hinter der Sparkasse ein kleines
modernes Einkaufszentrum errichtet würde, ziemlich stadtnah, man
hörte, dass auch ein wenig Felssicherung erforderlich wäre,
etwa 1000 qm müssten weggefräst werden – im Stadtrat
stimmten einige dagegen, die Mehrheit war dafür.
Das schockartige Erwachen aus diesem kleinen Stadtentwicklungstraum
erfolgte im November, zufällig war ich anwesend im Stadtentwicklungsausschuss.
Da berichtete Herr Hoffmann, der RP habe grünes Licht gegeben für
den für die Erweiterung erforderlichen Eingriff in das Naturschutzgebiet
Oberhagen, und zwar um 30 Meter, auf 170 Meter Breite! Das wären
nicht mehr 1000 qm gewesen, wie es im Vertrag stand, sondern das Zehnfache!
Ich wollte es nicht fassen. Aus einer kleinen Korrektur einer überhängenden
Felsnase sollte das Absprengen der ganzen stadtwärts gerichteten
Steinbruchwand werden?! Warstein würde total sein Aussehen verändern
– denn die Felswand gehört zum Warsteiner Stadtbild, es ist
ein nicht unbedingt schöner, aber eindrucksvoller Einblick in die
Geologie, ins Erdinnere! – Und warum?: Ja, man brauche mehr Raum
für das Einkaufszentrum und die dazugehörigen über 600
Parkplätze, dazu reiche die Fläche nicht aus! Die Herren wollten
so richtig klotzen!
Ich habe mich sofort vehement dagegen ausgesprochen in dem Ausschuss
und gesagt, das sollten die Fraktionen neu beraten, das könne man
nicht mittragen, das sei unverantwortlich – aber, wie gesagt,
man wurde nur belächelt. „Junge, das ist gelaufen. Der Generationenvertrag
ist verabschiedet! Und die Verkehrssicherung muss sein!“
Die folgenden Ereignisse kann man gut vergleichen mit einem Märchen,
und zwar mit dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Man ruft
„Aber der Kaiser ist ja nackt!“ – aber keiner will
es wahrhaben. Der Berater des Kaisers, also der Designer der neuen Kleider
im Märchen entspricht in unserer Warsteiner Geschichte den Gutachtern
und den anderen Herren in Nadelstreifen – Sie konnten die ganze
Korona bei der Bürgerversammlung in der Schützenhalle vorne
auf den Podium aufgereiht sehen, hoch bezahlt für ihr Kommen und
Referieren –; sie versprachen Warstein eine glorreiche Zukunft
mit Käuferströmen aus Meschede und begeisterten Warsteinern,
die nicht mehr zum Einkaufen nach Lippstadt oder Paderborn wegfahren
müssen, nein: wollen. Und in ihrer Ignoranz gegenüber lokalpatriotischen
Gefühlen sprachen sie sogar von einem neuen Zentrum der Stadt Warstein
(das alte hatten sie offensichtlich „abgeschrieben“!).
Aber dann kam durch unsere Aufklärungsarbeit – und wir mussten
die Sachverhalte sehr mühsam der Stadtverwaltung sozusagen aus
der Nase ziehen, man wollte der Öffentlichkeit einfach nicht sagen,
was ihr drohte! – doch mit Vehemenz heraus, dass die Bevölkerung
ganz anders dachte, als die großen Parteien kalkuliert hatten,
und gegen die Zerstörung eines wertvollen Naturschutzgebietes war
und auch gegen ein Einkaufszentrum, wo doch schon genug Geschäfte
in der eigentlichen Innenstadt leerstehen. Und außerdem fiel auf,
wie weit weggerückt das Zentrum plötzlich von der Innenstadt
war, nicht mehr hinter der Sparkasse, sondern unten bei der Post! Und
wie groß! (In Soest plant man ein Einkaufszentrum von 4000 qm,
hier geht es um 11.000 qm! Und mehr als 600 Parkplätze –
in Zürich wird gerade ein Riesen-Einkaufsareal eröffnet, etwa
die zehnfache Größe, für 20.000 Besucher täglich,
da sind – man höre und staune – 850 Parkplätze
gebaut worden.)
Über 3000 Menschen füllten bei miesem Wetter wie im Moment
unsere schönen kleinen Protestkarten aus und sprachen sich gegen
das Vorhaben aus – ein unerwarteter Erfolg für uns! Da sah
der Kaiser schon ziemlich nackt aus. Aber ich denke, das allein hätte
nicht viel gebracht. Wären wir nicht, hervorragend beraten durch
Umweltfachmann Loske und Rechtsanwalt Frank, fachlich und juristisch
gegen das Vorhaben vorgegangen, das als Bauantrag schnell, ohne Beteiligungsmöglichkeiten
der Umweltverbände und kostengünstig durchgezogen werden sollte.
Und auf einmal wurde deutlich, wie nackt, wie splitterfasernackt der
Kaiser wirklich war!
Sie müssen nur mal die Eingabe von Walter Arens und Monika Rudel,
Feldstraße, lesen, in der auf 5, 6 Seiten die Unkorrektheit des
Verfahrens dargestellt wird, und Sie wundern sich, dass Herr Störmann
vor ein paar Tagen in der Presse Herrn Hoffmann „hervorragende
Arbeit“ bescheinigt. (Nebenbei: Es ist nicht in Ordnung, finde
ich, wie Herr Hoffmann, der in Warstein jahrlang sehr anregend tätig
war, hier nicht verabschiedet wird, ich zum Beispiel habe eigentlich
immer ganz gut mit ihm zusammengearbeitet; dass wir in dieser Sache
unterschiedliche Positionen vehement vertraten, geht in Ordnung, ist
politisches Geschäft, da muss man nicht mit Dreck werfen, das haben
wir auch nicht getan; ein Spruch, wie auf dem Karnevalswagen „Hoffmann
geht, Hoffnung kommt“ ist nicht in Ordnung; das Risse-Vorhaben
ist nicht ein Werk von Herrn Hoffmann, jedenfalls nicht von ihm allein,
man sollte seine Ablehnung nicht auf eine Person konzentrieren!)
Nun, meine Damen und Herren, damit haben wir schon den Rückblick,
die Zustandsdarstellung im Grunde hinter uns. Die übergeordneten
Behörden ließen das Projekt wie eine heiße Kartoffel
fallen und signalisierten der Stadt „So geht es nicht, Jungens;
was denkt ihr euch eigentlich!“. Deswegen steht also die Wand
noch und ein Einkaufszentrum, das schon vor zwölf Monaten eingeweiht
sein sollte, lässt weiter auf sich warten … Und somit können
wir zur Frage übergehen: Wie geht’s weiter?
Es geht nämlich drolligerweise überhaupt nicht weiter. Risse
zieht witzigerweise den Bauantrag nicht zurück, obwohl der null
Chancen hat! Und die Stadt – macht nichts! Da sieht man auch mal,
es geht nicht nur um Herrn Hoffmann. Es gibt noch andere Entscheidungsträger:
Was machen die großen Parteien jetzt und was macht vor allem der
Bürgermeister? Alle stecken, so hat man den Eindruck, wie gelähmt
den Kopf in den Sand oder meinetwegen in eine Felsspalte und verzögern
weiter die Stadtentwicklung und damit den Tunnel. Was man jetzt natürlich
gern uns in die Schuhe schieben will …
In dem Zusammenhang: Es gibt schon sehr dumpfe Seelen in Warstein, man
lese nur mal die Zuschriften, die anonym beim Warsteiner Anzeiger online
eingingen, als Antwort auf einen Aufsatz von mir zum Thema „Warum
immer alles in Warstein schief geht“, und da werde ich wüst
angegangen (wie es auch im Karneval bei der ersten Kappensitzung gewesen
sein soll, von einem Mitarbeiter der Sparkasse), werde beschimpft als
Quertreiber, als einer der immer die Entwicklung behindert hat –
das Gegenteil ist der Fall: Es geht darum, Warstein zu erhalten und
die eigenen Kräfte zu stärken, damit es in Warstein wieder
vorangeht! Und: Wo eigentlich bleiben, fragt man sich da, die Geschäftsleute?
Ich meine, die Geschäftswelt ist, was die Stadtentwicklung angeht,
die wichtigste Partei in Warstein und diese Geschäftswelt macht
einen derart verschnarchten Eindruck, es ist schier zum Verzweifeln!
Als ginge es ihnen noch nicht schlecht genug! Kein Wort hörte man
bspw. vom Verkehrsverein zu all diesen Plänen, die existenziell
wichtig waren für die Warsteiner Geschäftswelt! Keine Initiative
ist spürbar, aus eigenen Kräften die Misere der Innenstadt
zu beheben, die übrigens nicht nur im Fehlen von Klamotten-Shops
besteht – nein, es breitet sich in Warstein vor allem eine gastronomische
und kulturelle Wüste aus, in einer Stadt, deren Zukunft eigentlich
im Tourismus liegt. Dieses Debakel um den gescheiterten Zakowski-Entwurf
eines Riesen-Einkaufszentrums sollte doch der Anlass sein, so sollte
man meinen, dass sich wichtige Leute in Warstein endlich zusammensetzen
und die Ärmel aufkrempeln. Es kann doch nicht angehen, dass wir
nur schulterzuckend zusehen, wie Warstein vor die Hunde geht!
Eigentlich ist das ja nicht unser Thema. Wir wollten nur die skandalöse
Zerstörung eines Naturschutzgebiets verhindern, gegen ein Einkaufszentrum
haben wir uns nicht ausgesprochen, in kleiner Form hätte es ja
durchaus realisiert werden können – jetzt aber werden wir
immer gefragt, wie soll es weitergehen?! Wie es weitergehen soll, ist
aber eine Angelegenheit der Politik, der Öffentlichkeit –
wir sind nur ein Teil der Öffentlichkeit; die heftige Zustimmung
zu unserem Anliegen zeigt im Grunde nur, dass es doch Kräfte in
der Warsteiner Öffentlichkeit gibt, die dieser Entwicklung gegensteuern
wollen, vielleicht kann ja auch von uns ein Impuls ausgehen für
diesen überfälligen Aufbruch – ich bin mal gespannt,
was Sie dazu, gleich im Anschluss, meinen.
Wir müssen jetzt jedenfalls erst mal wachsam bleiben, wie es in
Sachen Oberhagen weitergeht, die Fa. Risse hat ihr Projekt noch nicht
endgültig begraben, sie wird’s irgendwie anders versuchen,
das wird sich lang hinziehen, wird nicht mehr so spannend sein wie die
letzten Monate – aber wir hoffen auf Ihre weitere, unverdrossene
Zustimmung. Ich möchte an dieser Stelle nochmals neben Herrn Loske
und Frank auch den Umweltfachleuten bzw. Vertretern der Umweltverbände
LNU, BUND, NABU, von Herrn Karl Beleke aus Warstein bis zu Herrn Stichmann
aus Körbecke und dem BUND-Vorsitzenden Brunsmeier herzlich danken
für ihre Unterstützung, die wahrscheinlich die entscheidende
war! Und ich möchte Ihnen allen danken für die vehemente Rückenstärkung
– das erlebt man nicht alle Tage. Auch für Ihre Spendenbereitschaft.
Wir brauchen diese Energie weiterhin (es ist ja keine fossile Energie,
sondern eine erneuerbare ...!)
Eine interessante Beobachtung zum Abschluss: Ist Ihnen aufgefallen,
meine Damen und Herren, dass der Waldsaum am Oberhagen durch den verheerenden
Sturm neulich nicht betroffen war?! Und wie schroff stehen dort die
alten Bäume auf felsigem Grund gegen den Wind! Selbst Kyrill also
bringt den Oberhagen nicht zu Fall! Es wäre vielleicht noch ein
kleiner Triumph gewesen für diejenigen, denen Naturschutz am …,
na sagen wir mal, an der Nase vorbeigeht – aber man möchte
fast an höhere Kräfte glauben, dass diese naturgeschützten
Bäume auch geschützt blieben gegen diese rohen Kräfte
der Natur. Bitte bleiben Sie auch weiter standhaft wie dieser Baumsaum
gegen die rohen Kräfte der menschlichen Natur, die alles –
Steine, Landschaft, auch Wasser – zu Geld machen wollen.
Werner Braukmann
|