NATURSCHÜTZER CONTRA STADTENTWICKLUNG? DIE SELTSAMEN ÄUSSERUNGEN EINES LOKALREPORTERS |
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Im überregionalen Teil der Westfälischen Rundschau vom 29. Mai 2006 war unter der Überschrift "Naturschützer contra Stadtentwicklung" ein
interessanter Artikel aus der Feder des Lokalreporters Horst Hassel zu
lesen. Selten sind in einem Presseartikel so viele Fehler zu finden, noch
dazu in einem überregionalen Beitrag - blamabel für die Presse
unserer Stadt! |
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Pläne für Einkaufszentrum gefährdet Naturschützer contra Stadtentwicklung |
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Schon die Überschrift
ist eine Frechheit. Weder sind alle Mitglieder und Unterstützer
der Initiative Oberhagen erklärte "Naturschützer"
noch sind Menschen, die das Naturschutzgebiet Oberhagen erhalten wollen
Gegner der "Stadtentwicklung". Von Anfang an wird hier in
billigster Art und Weise ein Popanz aufgebaut, der den Tatsachen nicht
entspricht. Aber so ist es doch einfacher: Wie seinerzeits einmal Feldhamster
gegen ein Großkraftwerk - es fehlt nur noch der Hinweis darauf,
dass man doch den Schutz der Natur nicht über den Schutz des Menschen
stellen dürfe - war aber wohl mehr ein Versehen.
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Warstein.
Naturschützer drohen der Stadt Warstein mit einer Klage, sollte diese
an ihrem Plan festhalten, als "verkehrssichernde Maßnahme"
bis zu 27 Meter Kalkstein einer 50 Meter hohen Felswand im Stadtzentrum
abzutragen. Der Fels gehört zum Naturschutzgebiet "Oberhagen".
Am Fuße der Felswand sollen ein Einkaufszentrum und eine Umgehungsstraße
entstehen. |
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Es ist nicht recht nachvollziehbar,
warum hier das anonyme "Naturschützer" gewählt worden
ist, schließlich haben sich 10 Tage vor dem Zeitungsbericht hochrangige
Vertreter der drei anerkannten Naturschutzverbände in Warstein
zum "Umweltgipfel" versammelt. Es sind nicht irgendwelche
´Blümchenfreunde´ die da blindwütig nach den Gerichten
rufen - es sind die großen landesweit agierenden Naturschutzverbände
BUND, NABU und LNU - keineswegs eine Selbstverständlichkeit übrigens,
diese Verbände in so einmütigem Gleichklang an einen Tisch
zu bringen und zu einer derart deutlichen Stellungnahme zu bewegen,
wie es der Initiative Oberhagen mit ihrem "Umweltgipfel" gelungen
ist.
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Die
Zukunft der Stadt durch einen "Generationenvertrag" mit der
Firma Risse zu sichern, dazu fand sich vor zwei Jahren in Warstein eine
Ratsmehrheit. Der ehemalige Kalksteinbruch Risse, zuletzt ein Röhren-Betonwerk,
sollte Platz machen für die lang ersehnte Umgehungsstraße,
für ein Eisenbahngleis zur Warsteiner Brauerei und einen echten Besucher-"Magneten",
ein Einkaufszentrum von bis zu 11 000 Quadratmetern Größe. |
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Muß denn immer gleich
so dick aufgetragen werden - ´die Zukunft der Stadt´...
Es wurde mit der Firma Risse ein Vertrag geschlossen, den man - aus
Gründen der Steigerung der äußeren Festlichkeit und
zur Unterstreichung der eigenen Wichtigkeit - gern ´Generationenvertrag´
nennt, an sich schon eine Provinzposse. Nun weicht aber die heutige
Planung von den im ´Generationenvertrag´ abgestimmten Planungen
erheblich ab. Im Vertrag war vom Abbau von 1.000 qm des Naturschutzgebietes
gesprochen worden, heute sind es gleich 6.500 qm (zuzüglich der
4.000 qm Felswand, die damals aber noch nicht Bestandteil des NSG waren).
Zahlreiche Frist-Festlegungen des Vertrages sind längst verstrichen,
der tiefe Einschnitt zum Salzbörnchen (von der Initiative Oberhagen
als ´Cabrio-Tunnel´ in seinen
Dimensionen erst richtige verdeutlicht) wird heute peinlichst verschwiegen
(so auch im belustigenden Leser-Tagebuch des Technischen Beigeordneten
R. Hoffmann im Warsteiner-Anzeiger-Online.)
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Durch
Gutachten wurden der Stadt und dem Unternehmen bestätigt, dass die
naturgeschützte Felswand Spalten und Risse hat, dass große
Stücke herauszubrechen drohen. Bis zu 60 Meter Abstand müsste
man von der Wand halten, um vor herabfallendem Gestein sicher zu sein.
Dann aber wäre der "Einkaufsmagnet" gestorben, das "stützende
Korsett" für den dahindümpelnden Warsteiner Einzelhandel. |
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Es sollte zumindest auch
hier noch einmal erwähnt werden, dass die felstechnischen Gutachten
nach wie vor als Staatsgeheimnis behandelt werden, niemand hat bisher
Einblick nehmen dürfen. Es ist dabei überhaupt keine Frage,
dass von einer 50 Meter hohen Steinruchwand Gefahren ausgehen. Die Frage
ist aber, ob tatsächlich 60 Meter Abstand von der Wand zu halten
sind, oder ob es nicht bauliche Möglichkeiten gibt, diesen Abstand
auf vielleicht 40 Meter zu verkleinern (Kiesbetten vor der Böschung,
Wallschüttungen, Steinschlagschutz durch Zäune und Mauern
direkt an den zu schützenden Verkehrswegen).
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Warsteins
Technischer Beigeordneter Reinhard Hoffmann sieht derzeit keine Klageberechtigung
für die Naturschützer. Es liege lediglich ein Bauantrag vor,
so Hoffmann im Gespräch mit der WR, dagegen sei die angestrebte Verbandsklage
gar nicht möglich. Die Bezirksregierung Arnsberg, erklärte Hoffmann,
habe signalisiert, sie werde der Felsabtragung im Naturschutzgebiet zustimmen,
wenn die Untere Landschaftsbehörde keine Einwände habe. |
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Hier ist dem Autor fast kein
Vorwurf zu machen, er hat einfach seinem menschlichen Reflex gehorcht:
Wenn der Erste Beigeordnete einer Stadt etwas sagt, dann wird das ja
wohl stimmen. Aber Horst Hassel ist eigentlich lange genug in Warstein
um zu wissen, dass diese Grundannahme falsch ist - so auch hier wieder.
Keine Frage, gegen einen Bauantrag an sich können die Verbände
nicht klagen. Aber gerade darin besteht einer der durchsichtigen Verfahrenstricks
der Stadt Warstein: Die Wiedereröffnung eines Steinbruchs, mit
dem Abbau von mindestens 600.000 Tonnen Kalkstein als Bauantrag zu tarnen
und damit vielen Scherereien des eigentlich zuständigen Verfahrens
aus dem Wege zu gehen.
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Im Warsteiner
Rat gibt es derzeit noch eine knappe Mehrheit für den Felsabbau.
Auf seiten der Umweltschützer engagieren sich vor allem die Mitglieder
der Warsteiner Alternativen Liste (WAL). |
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Vielleicht ist es ein Mangel
an Wissen beim Reporter, vielleicht aber auch böser Willen: In
den Vorstand der Initiative Oberhagen
wurden zwei Ratsmitglieder gewählt, Elke Ibing von der BG und Jürgen
Wied von der SPD - kein WAL-Ratsmitglied sitzt im Vorstand der Initiative.
Der Vorsitzende - Werner Braukmann - ist Gründungsmitglied der
WAL, seit Jahren aber parteipolitisch eher zurückhaltend, Beisitzer
Volkert Bahrenberg ist hin und wieder als sachkundiger Bürger für
die WAL aufgetreten und Beisitzer Stefan Enste ist derzeit sachkundiger
Bürger für die WAL im Ausschuss für Kultur und Touristik.
Daneben engagieren sich in der Initiative Bürgerinnen und Bürger
aus dem gesamten Parteienspektrum, auch CDU-Mitglieder sind von Anfang
an maßgebliche Kräfte innerhalb der Initiative Oberhagen.
Hier eine Art ´APO-Unterorganisation´ der WAL aufzubauen
entspricht absolut nicht den Tatsachen. Für die Ziele einer solchen
Organisation hätten niemals über 3.000 Warsteinerinnen und
Warsteiner unterschrieben.
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Vor einigen Jahren
war es ihnen bereits gelungen, die geplante Brauwassertalsperre der Warsteiner
Brauerei zu verhindern. Jetzt ist es den WAL-Mitgliedern ein Anliegen,
seltene Pflanzen und Tierarten am Oberhagen zu schützen. |
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Die Warsteiner Liste ist
aus einer Bürgerinitiative hervorgegangen, die Anfang der 80er
Jahre den Bau der privaten Langenbachtalsperre verhindert hat, die Warsteiner
Liste gab es zu dieser Zeit noch gar nicht. Es sind auch längst
nicht alle Unterstützer der Bürgerinitiative gegen die Talsperre
zu Mitgliedern der WAL geworden.
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FAKTEN- Fels Heimat seltener Tiere | ||
Nun werden Fakten angekündigt - was aber kommt ist zumindest merkwürdig. Schon die Aussage "Fels Heimat seltener Tiere" ist irgendwie richtig und falsch zugleich, denn nicht nur der Fels beherbergt nicht nur Tiere - zuerst einmal geht es um den Waldbereich oberhalb des Felsens mit seinen sehr reichen Pflanzen-Gesellschaften. Und mit dem Uhu brütet im betroffenen Bereich nicht nur ein ´seltenes Tier´ sondern eine der "streng geschützten Arten".
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Rund
80 Prozent der Fläche der Stadt Warstein besteht aus Wald, Naturschutzgebieten
oder Landschaftsschutzgebieten |
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Was hat dieses Faktum (nachgemessen
haben wir nicht und Skepsis ist bei Zahlen aus dem Technischen Rathaus
der Stadt Warstein mindestens angebracht) eigentlich mit dem Thema zu
tun? Soll ausgesagt werden: In Warstein ist die Welt noch in Ordnung,
hier ist es schön und grün und alles auch gut geschützt?
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Eine
Bürgerinitiative unter Führung der "Grünen" (Warsteiner
Alternative Liste - WAL) will verhindern, dass der naturgeschützte
Fels am "Oberhagen" angeknabbert wird. Seltene Pflanzen und
Tierarten, darunter ein Uhu mit Jungen, sollen geschützt werden. |
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Wir machen uns die Welt einfach:
Wieder einmal sind es "Die Grünen" (oder, wie man in
Warstein sagen würde: "Die Chrünen"). Zahlreiche
Mitglieder und Unterstützer der Initiative Oberhagen würden
sich gegen diese doppelt falsche Einordnung wehren.
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Die
Stadtverwaltung sieht nicht weniger als "die Zukunft der Stadt"
gefährdet, wenn das Einkaufszentrum dadurch nicht gebaut werden kann. |
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Durch solche billigen Alarm-Schreiereien und theatralischen Dramatisierungen versucht man, Druck auf die Politik und die Bevölkerung auszuüben. Tatsächlich gefährdet derzeit vor allem die Stadtverwaltung die Zukunft Warsteins:
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Warum
erscheint ein solcher Artikel in der überörtlichen Presse? Beim
Lesen hat man den Eindruck, hier habe sich ein Praktikant aus der 8. Klasse
einmal ausprobieren dürfen - tatsächlich ist der Artikel von
einem hauptamtlichen Redakteur verfaßt worden. Die Lokalpresse macht sich hier zum propagandistischen Sprachrohr der Stadtverwaltung - und damit eigentlich überflüssig. Nun kann man in Lokalredaktionen nicht unbedingt qualifizierten Journalismus erwarten (man erwartet in einer Frittenbude ja auch keine Sterne-Köche), aber wenigstens das Bemühen um handwerkliche Richtigkeit dürfte man bei einer Zeitung, die man für bares Geld kaufen muß, doch voraussetzen. Halbwegs gründliche Recherche scheint eine völlig unbekannte Seite des journalistischen Berufes zu sein. Es ist doch gar nicht so schwer, sich zu informieren. Auf unseren Internet-Seiten kann man sich nicht nur über die Meinung der Initiative Oberhagen informieren, wir bieten hier tatsächlich "Fakten", objektive Texte und Quellen, aus denen man sich ein eigenes Bild machen kann. Wir halten nicht mit Wahrheiten hinter dem Berg, wir versuchen nicht, die Meinung der Menschen zu manipulieren (auch wenn das gern vorgeworfen wird - wie sollte man mit Gesetzestexten und amtlichen Veröffentlichungen z.B. der LÖBF manipulieren?). Denn eines ist und bleibt klar: Der beste Weg, Menschen gegen die Planungen der Stadt Warstein und der Firma Risse zu mobilisieren ist, sie ganz nüchtern und sachlich über diese Planungen zu informieren. |
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Stefan Enste, 29. Mai 2006 |
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