INFO-VERANSTALTUNG AM 18. APRIL 2006

EIN VERFAHREN IM FALSCHEN VERFAHREN

 

Die Initiative Oberhagen hatte für den 18. April 2006 um 18.00 Uhr in den Lindenhof in Warstein zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung eingeladen. Seit einiger Zeit arbeiten der Umweltsachverständige Dr. Karl-Heinz Loske und der Rechtsanwalt Dr. Oliver Frank für die Initiative, an diesem Abend sollten sie den interessierten Bürgerinnen und Bürgern vorgestellt werden und gleichzeitig Gelegenheit bekommen, ihre Sicht der Dinge darzulegen.
Große Freude herrschte bei der Initiative Oberhagen über den überraschend guten Besuch der Veranstaltung: Über 50 Interessierte waren zusammengekommen, um sich über den Stand der Dinge zu informieren.
Werner Braukmann, Vorsitzender der Initiative Oberhagen eröffnete die Veranstaltung. Er hielt kurze Rückschau auf die genau zwei Wochen zurück liegende Großveranstaltung in der Sauerlandhalle: Diese Veranstaltung sei ein moralischer Sieg der Gegner der Oberhagen-Zerstörung gewesen. Dennoch: Nie war die Gefahr größer, dass der Oberhagen heimlich und leise in einem schnellen Verfahren zerstört werden könnte. Das war auch der Anlaß für die Initiative Oberhagen neben dem Umweltsachverständigen einen Rechtsanwalt mit der Interessenvertretung zu beauftragen. Der Initiative sei es nun endlich gelungen, Einblick in die Antragsunterlagen zu nehmen, sowohl Dr. Frank als auch Dr. Loske haben in den vergangenen Tagen Akteneinsicht in den Bauantrag gehabt - allerdings gegen Bares, 17,-- Euro je angefangener halben Stunde stellt die Stadt Warstein für dieses eigentlich selbstverständliche Recht in Rechnung.

Info-Veranstaltung der Initiative Oberhagen im Lindenhof in Warstein. Von links: Werner Braukmann (Vorsitzender der Initiative), Dr. Karl-Heinz Loske (Umweltsachverständiger), Dr. Oliver Frank (Rechtsanwalt), Marlies Feldhege (2. Vorsitzende), Jürgen Wied (Beisitzer), Volkert Bahrenberg (Beisitzer).

Zuerst stellte Rechtsanwalt Dr. Frank die Ergebnisse seiner bisherigen Arbeit und Recherche vor. Bei der Durchsicht der Bauantrags-Unterlagen seien ihm zahlreiche Merkwürdigkeiten und Ungereimtheiten aufgefallen. Speziell ging er dabei auf das ca. 80-seitige sprengtechnische Gutachten ein. Der eigentlich vorgeschriebene Sprengbereich von 300 m soll deutlich unterschritten werden, einige Häuser sind sogar deutlich weniger als 100 m von der nächstgelegenen Sprengstelle entfernt. Hier sah Dr. Frank einen inneren Widerspruch: Einerseits stellen Felstechniker und Sprengtechniker fest, dass das Gestein besonders tief geklüftet und von Spalten durchzogen ist. Nach der Arbeitsschutzvorschrift Sprengarbeiten müßte aber bei besonderer Klüftigkeit des Gesteins der Sprengbereich von 300 Metern vergrößert und nicht etwa deutlich verkleinert werden. Dr. Frank ermunterte die Anwohner, schon jetzt bei der Stadt Warstein schriftlich Beschwerden gegen die geplanten Sprengarbeiten einzulegen.
Ein weiterer Punkt war dem Anwalt aufgefallen: In der neu gefaßten Naturschutzgebiets-Verordnung für den Oberhagen heißt es in § 7 ("Nicht - von naturschutzbedingten Einschränkungen - betroffene Tätigkeiten"): "Von den Bestimmungen dieser Verordnung sind nicht betroffen: 4) Böschungssicherungsmaßnahmen an den Steinbruchwänden im Einvernehmen mit der unteren Landschaftsbehörde.". Die geplante Zerstörung von 5300 qm des Naturschutzgebietes könne aber beim besten Willen nicht als ´Böschungssicherungsmaßnahme an den Steinbruchwänden´ deklariert werden, da die Steinbruchwände ja weitgehend abgetragen werden sollen. Unter dem Vorwand, die Wand zu ´sichern´ wird die Wand tatsächlich abgetragen, vernichtet.
Ganz zentral, so Rechtsanwalt Dr. Frank, sei aber, dass man von Seiten der Stadt Warstein und der Firma Risse versuche, diesen großen Eingriff über das Baurecht zu regeln. Da hier tatsächlich eine große Abgrabung vorliegt, die außerdem komplett durch Sprengungen vorgenommen werden soll, gehöre die Baumaßnahme nicht in die Hand der Stadt Warstein sondern eindeutig in ein Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz.

Dr. Karl-Heinz Loske kam direkt aus dem Technischen Rathaus der Stadt Warstein, wo er am Nachmittag den Bauantrag in Augenschein genommen hatte. Er bekräftigte die besondere überregionale Bedeutung des Naturschutzgebietes Oberhagen. Dieser Punkt sei auch im Landschaftspflegerischen Begleitplan (LBP) des Antrags durchaus betont worden. Der Oberhagen ist nicht irgendein Waldstück, hier finden sich Pflanzenstandorte von großer Bedeutung: Er ist Nordwestgrenze von Pflanzen-Verbreitungen, einziger Standort einiger Pflanzen im Kreis Soest. Und gerade diese Standorte, gerade diese Pflanzen sind von der Zerstörung bedroht, sollen durch die Maßnhamen vernichtet werden.
Dr. Loske stellte die Fragwürdigkeit des Antrags heraus: Beantragt ist die Sicherung einer Böschung, tatsächlich geht derzeit von dieser Böschung aber keine Gefahr aus, da sich niemand im Gefahrenbereich der Böschung aufhält. Erst Maßnahmen, die mit unterschiedlichem Grad an Sicherheit, in der Nähe der Böschung geplant sind, lassen die Böschung zur Gefahr werden. Eine Änderung der Planung würde in allen Fällen reichen, um die Gefahr abzuwenden.
Merkwürdig sei - so Loske - dass der LBP von der Stadt Warstein selbst verfaßt worden sei. Die Stadt Warstein ist schließlich gleichzeitig auch Genehmigungsbehörde. Im LBP wird immer wieder betont, dass eine Ausgleichbarkeit des Eingriffs unsicher oder sogar unmöglich ist. Schließlich kommt der LBP - entgegen seiner eigenen Aussagen - aber zu dem Ergebnis, dass der Eingriff irgendwie dann doch mehr oder weniger augeglichen werden könnte.
Zum Schluß äußerte Karl-Heinz Loske seine Hoffnung, dass der Eingriff abgewendet werden könne, da er in sich eindeutig nicht genehmigungsfähig sei.

Nach den Kurzvorträgen der Sachverständigen eröffnete Werner Braukmann die Diskussion, an der sich zahlreiche Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung rege beteiligten. Immer wieder wurde Entsetzen und Unverständnis über die geplanten Maßnahmen geäußert - sei es die Zerstörung des Oberhagens, die Gefährdung von Leib und Leben der Anwohner, die Gefahren für die Bebauung durch Steinflug, die verrückten Dimensionen des immer noch geplanten ´Cabrio-Tunnels´.

Nach zweieinhalb Stunden schloß Werner Braukmann die Veranstaltung mit einem ´zweischneidigen Fazit´: Einerseits darf man vorsichtig optimistisch sein. Denn - wenn es nur mit rechten Dingen und nach Recht und Gesetz zuginge, dann müßte man sich um den Bestand des Oberhagens eigentlich kaum Sorgen machen. Aber: Auch die Sachverständigen sehen große Gefahr für den Oberhagen, da zu befürchten ist, dass trotz aller rechtlichen Probleme und Unzulänglichkeiten des Antrags einer schnellen Zustimmung des Kreises dann auch ein schneller, Fakten-schaffender Schlag gegen den Oberhagen folgen könnte.

Fazit der Veranstaltung: Überraschend viele Warsteinerinnen und Warsteiner ließen sich von der Initiative Oberhagen und den Sachverständigen über den Stand der Dinge informieren. Und wieder einmal kann gesagt werden: Die Besucher dieser Veranstaltung sind besser über die Maßnahmen und die drohenden Folgen informiert als diejenigen in der Politik, die irgendwann einmal über die Planungen zu entscheiden haben (denn Vertreter der Ratsfraktionen suchte man auch am Dienstag vergeblich unter den Besuchern...).

 

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